Baden im Hurstsee

Die Stadt hat mit Pressemitteilung vom 19.04.2024 mitgeteilt, dass am Ostufer des Hurstsees zukünftig gebadet werden darf. Wir Grüne freuen uns, dass dieser Kompromiss ermöglicht werden konnte. Zum Hergang der Kompromissfindung sollten aber einige Punkte ergänzt werden.

Bislang war Baden im Hurstsee aus Naturschutz- und Gefahrengründen bestandskräftig verboten, aber nicht bußgeldsanktioniert. Manche Bürger haben sich daran gehalten, andere nicht. Die rechtstreuen Bürger waren die Dummen.

Im Juli 2023 hat die Stadtverwaltung dem Gemeinderat vorgeschlagen, das Badeverbot mit Bußgeldern zu unterfüttern. Dies sollte zum einen dem Naturschutz dienen, zum anderen befürchtete der Oberbürgermeister verständlicherweise, im Falle eines Badeunfalles persönlich strafrechtlich verfolgt zu werden. Alle Fraktionen im Gemeinderat haben dies unkritisch mitgetragen außer wir Grünen. Uns war es wichtig, einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Naturschutz, dem persönlichen Anliegen des Oberbürgermeisters und den Interessen der Seeliebhaber zu finden. Wir haben daher vorgeschlagen, das Baden am Ostufer zu erlauben. Außerdem sollte es für Fußgänger möglich bleiben, den See zu umrunden. Auch dies wäre nach dem Vorschlag der Verwaltung nicht mehr möglich gewesen. Die Stadtverwaltung und die anderen Fraktionen im Gemeinderat haben sich jedoch nicht überzeugen lassen. In der Ausschusssitzung vom 11.07.2023 stimmten 13 von 16 Gemeinderäten für die Verwaltungsvorlage. Wir standen alleine da.

Die Wende kam, nachdem wir die Rechtslage detailliert geprüft und gegenüber der Stadtverwaltung per E-Mail dargelegt haben. Die E-Mail ist untenstehend aus Transparenzgründen vollständig abgedruckt. Es freut uns sehr, dass wir die Stadtverwaltung und den Gemeinderat überzeugen konnten. Die nunmehrige Lösung entspricht unserem Kompromissvorschlag.

Es wird nunmehr von uns Bürgern abhängen, ob die gefundene Kompromisslösung funktioniert oder ob der Gemeinderat in ein paar Jahren doch noch nachschärfen muss. Wir appellieren an alle Bürger, die Zoneneinteilung zu respektieren.  

E-Mail vom 30.07.2023:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Arnold, sehr geehrter Herr Metzen, 

am Mittwoch wurden Sie, Herr Arnold, in den BNN dahingehend wiedergegeben, dass Sie während der Sommerpause noch einmal mit der Versicherung und dem Rechtsanwalt der Stadt über den Hurstsee sprechen wollten. Ich nehme dies zum Anlass, Ihnen meine juristischen und politischen Gedanken zu schreiben.

Mich überzeugen bislang weder die Verwaltungsvorlage (hierzu unter 1.) noch umgekehrt die Ausführungen der Bürger zur vermeintlichen Rechtslage (hierzu unter 2.). Ich denke vielmehr, dass die Lösung wie so oft in der Mitte liegt (hierzu unter 3.). Wo genau, weiß ich leider auch nicht. Vielleicht kann diese E-Mail jedoch dazu beitragen, dass wir im Gemeinderat die richtigen Fragen stellen und beantworten bzw. den Bürgern die Situation zumindest entsprechend ihren Vorstellungen erklären.

Eine Antwort Ihrerseits noch während der Sommerpause erwarte ich nicht. Sie ist aus meiner Sicht auch nicht erforderlich. Ich will Ihnen nur schreiben, bevor ich alles wieder vergesse.

1. Verwaltungsvorlage:

a) Sie berufen sich auf S. 2 der Verwaltungsvorlage für den Gemeinderat auf die strafrechtliche Verfolgung eines Bürgermeisters, weil ein „Löschwasserteich“ nicht ausreichend gesichert war und es infolge dessen zu einem tödlichen Unfall kam. Leider haben Sie kein konkretes Aktenzeichen eines Gerichts genannt. Dies macht es schwer, Ihre Gedanken nachzuvollziehen. Festhalten lässt sich jedoch, dass sich Löchwasserteiche durch ein extrem steiles Ufer auszeichnen. Wer in einen solchen Teich hineinfällt, wird es in vielen Fällen nicht aus eigener Kraft herausschaffen. Eine solche Situation haben wir beim Hurstsee nicht.

Ich vermute, dass Sie bei Ihrem Verweis auf den „Löschwasserteichfall“ den tragischen hessischen Fall im Blick hatten, bei dem 2016 drei Kinder ertrunken sind (LG Marburg, Urteil vom 23.02.2023 – 8 Ns 4 Js 12490/16). Der dortige Teich war zwar kein Löschwasserteich im eigentlich Sinne. Die Situation war aber vergleichbar. Die drei Kinder hatten, einmal in den See gefallen, keine Chance. Selbst Erwachsene kamen aufgrund des steilen Ufers (45°) und des dortigen rutschigen Pflanzenbewuchses nicht mehr heraus. Hinzu kam, dass ausgerechnet die Gemeinde selbst das Ufer derart steil und rutschig gemacht und zugleich Attraktionen am See errichtet hatte, die Menschen anzogen, insbesondere Kinder. Noch mal: die Situation am Hurstsee ist mit dieser besonderen Situation nicht ansatzweise vergleichbar.

b) Des Weiteren berufen Sie sich auf S. 2 der Verwaltungsvorlage auf eine strafrechtliche Verfolgung infolge eines tödlichen Badeunfalls an einem Baggersee. Die Verantwortung der Kommune sei „überprüft“ worden. Dieser Satz ist leider noch vager als Ihr Verweis auf den Löschwasserteich. Dass jeder Todesfall in einem Baggersee strafrechtlich untersucht wird, ist eine Selbstverständlichkeit. Interessant ist, was dabei herausgekommen ist.

c) Das Schreiben des Versicherers vom 26.07.2018, auf welches Sie auf S. 2 der Verwaltungsvorlage verweisen, liegt uns Gemeinderäten nicht vor. Das Schreiben bezieht sich aber wohl nur auf eine mögliche Änderung der Nutzung als Naturbad oder bei Einrichtung einer Badestelle. Es wäre interessant, zu erfahren, was der Versicherer unter einer Badestelle versteht. Versteht er etwa nur solche Seen darunter, bei denen die Gemeinde Infrastruktur geschaffen hat, um das Baden zu ermöglichen bzw. zu fördern? Es gibt unterschiedliche Definitionen. Vielleicht können Sie uns das Schreiben zukommen lassen?

Soweit Sie darauf hinweisen, dass die Haftung bei Unfällen mit Personenschäden ausgeschlossen wurde, ist unklar, ob Sie damit nur die zuvor genannte strafrechtliche oder auch die zivilrechtliche Haftung meinen.

d) Schließlich verweisen Sie auf S. 2 der Verwaltungsvorlage auf die Untersuchung des Büros SPANG u.a. Dort ist auf S. 47 ff. eine überschlägige Einschätzung des Gefahrenpotentials wiedergegeben. Ich persönlich erkenne den Hurstsee dort nur bedingt wieder, auch wenn ich dort nie selbst gebadet habe. Ich erkenne insbesondere keinen wesentlichen Unterschied zu sonstigen freien Gewässern. Jedenfalls fällt auf, dass sich die beschriebenen Gefahren vor allem auf das Nord- und Westufer beziehen, nicht hingegen auf das Ostufer.

2. Behauptungen der Bürger:

Nicht von sich aus überzeugend ist umgekehrt aber auch die Behauptung der Bürger, Baden in freien Gewässern erfolge stets auf eigene Gefahr, die Kommune hafte nicht. Fehl geht insbesondere der Verweis der Bürgerin in der Einwohnerfragestunde auf den Beschluss des OLG Oldenburg vom 07.10.2014 – 6 U 140/14 (nachfolgend BGH, Beschluss vom 30.04.2015 – III ZR 331/14). Denn diesem Beschluss lag die Klage eines Mannes zugrunde, der (erlauben Sie bitte) so blöd war, einen Kopfsprung in einen (wilden) See zu machen. Das Baden war dort sogar verboten. Dass das Gericht diese Klage abgewiesen hat, wird niemanden überrascht haben.

3. Lösung in der Mitte?

Im Verwaltungsausschuss hat unsere Grüne Fraktion vorgeschlagen, im Norden und Westen des Hurstsees aus Naturschutzgründen sehr streng zu sein und möglicherweise sogar einen Zaun/ eine Brombeerhecke zu errichten. Im Osten wollten wir hingegen großzügiger sein. Ich halte dies nach Studium der Rechtslage weiterhin für denkbar. Erforderlich wären aber wohl weitere Angaben seitens der Verwaltung in tatsächlicher Hinsicht.

a) Richtig ist, dass das Baden in Seen in der freien Natur grundsätzlich auf eigene Gefahr erfolgt. Die Kommunen dürfen davon ausgehen, dass sich Bürger der besonderen Gefahrenlage in freien, nicht überwachten Gewässern grundsätzlich bewusst sind und verantwortungsbewusst handeln (vgl. BGH, Urteil vom 18.10.1988 – VI ZR 94/88 -, juris, Rn. 13; LG Arnsberg, Urteil vom 31.07.2002 – 2 O 156/02 -, juris, Rn. 23; LG Marburg, Urteil vom 23.02.2023 – 8 Ns 4 Js 12490/16 -, juris, Rn. 195; zur allgemeinen Verkehrssicherungspflicht: BGH, Urteil vom 28.04.1992 – VI ZR 314/91 -, juris, Rn. 13).

b) Anderes gilt, wenn ein Gewässer deutlich überdurchschnittlich oder gar verdeckt gefährlich ist, so dass der Normalbürger dies nicht erkennen kann. Beispiele können verborgene Untiefen, ein extrem steiles Ufer, Strömungen etc. sein (vgl. BGH, Urteil vom 18.10.1988 – VI ZR 94/88 -, juris, Rn. 14; LG Marburg, Urteil vom 23.02.2023 – 8 Ns 4 Js 12490/16 -, juris, Rn. 195 ff.). 

Liegt eine solche besonders gefährliche Situation vor, reicht ein bloßes Badeverbot – auch kombiniert mit Bußgeldandrohungen – nicht aus. Die Kommune muss in diesen Fällen vielmehr regelmäßig zusätzliche (physische) Maßnahmen ergreifen bzw. errichten, z.B. Zäune, Rettungsseile im See, Rettungsringe, Schilder in für Kinder lesbaren Bildern etc. Das bloße Verbot reicht schon deshalb nicht, weil Kinder sich davon nicht werden abhalten lassen.

c) Sehr vorsichtig sein muss eine Kommune zudem, wenn sie Baden indirekt bewirbt, etwa indem sie einen Steg baut. Denn dann verlassen sich die Bürger auf die Einschätzung der Kommune wie auch auf die Tragkraft des Steges (vgl. Brandenburgisches OLG, Urteil vom 22.02.2006 – 13 U 107/05 -, juris, Rn. 16; OLG Rostock, Urteil vom 18.12.2020 – 5 U 91/18 -, juris, Rn. 69). 

d) Wende ich diese Obersätze auf den Hurstsee an, scheint mir eine Einteilung in Zonen weiterhin möglich zu sein. Im Norden und Westen sollte schon aus Naturschutzgründen absolutes, bußgeldbewehrtes Badeverbot gelten. Im Osten hingegen scheint eine etwas großzügigere Handhabung denkbar zu sein.

Eine Möglichkeit bestünde darin, das Badeverbot auch im Osten aufrechtzuerhalten, dort jedoch kein Bußgeld anzudrohen. Die Stadt wäre in diesem Fall weiterhin „abgesichert“, da das Baden verboten bleibe. Eine rechtliche Notwendigkeit, dieses Verbot mit einer Bußgeldandrohung zu unterfüttern, sehe ich nicht. Juristisch ist ein Verbot ein Verbot, egal ob ein Bußgeld verhängt werden kann und kontrolliert wird (entsprechend auch Bayerisches Staatsministerium der Justiz, Leitfaden Verkehrssicherungspflicht an Badegewässern, 2021, S. 18).

Eine andere Möglichkeit bestünde darin, das Badeverbot im Osten aufzuheben und stattdessen nur allgemeine Warnschilder aufzustellen, die auf die abstrakten Gefahren eines offenen Gewässers hinweisen und den Zusatz „auf eigene Gefahr“ enthalten. Möglicherweise sucht man sich insoweit sogar nur eine einzige Bucht aus. Ich füge exemplarisch zwei Fotos von Buchten im Osten bei.

e) Vor dem Hintergrund obiger Ausführungen bitte ich in der nächsten Verwaltungsvorlage zum Hurstsee um die Beantwortung der folgenden Fragen:

  • Sind der Verwaltung weitere besondere Gefahren bekannt, welche im bisher vorgelegten naturschutzfachlichen Gutachten nicht genannt sind? Der Tiefenlinienplan auf S. 14 des Gutachtens etwa ist für mich aufgrund seiner schlechten Auflösung nicht lesbar.
  • Wie aufwändig und kostenintensiv wäre es ganz grob, einen Bereich des Sees mit einem Seil und Bojen abzutrennen, um den besonders naturschutzrechtlich geschützten und mit hohen Bußgeldern bewehrten Bereich zu kennzeichnen? Welche Erfahrungen haben wir insoweit mit dem Buchtzigsee gemacht?
  • Wie aufwändig wäre es ganz grob, den See oder Teile des Sees abzutauchen, um Gefahren, etwa durch liegengebliebene Baggerschaufeln, auszuschließen? Haben wir insoweit Erfahrungen mit dem Buchtzigsee?
  • Gibt es naturschutzrechtliche Gründe, die einer großzügigeren Handhabung im Osten entgegenstehen?

Mit freundlichen Grüßen

Hans Hilgers

Stadtrat

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